Autor: Lois Lowry
Titel: Hüter der Erinnerung
(OT: The Giver #1)
Seitenzahl: 272 Seiten
Verlag: DTV
ISBN: 978-3-423-08642-4
Veröffentlichung: September 2014
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„Zwei Kinder – ein männliches und ein weibliches – für jede Familieneinheit, so stand es klar und deutlich in den Regeln.“ (Seite 18)
Jonas steht kurz vor der Zwölfer-Zeremonie. Dabei wird den Zwölfern ein Job zugeteilt, der ihren Fähigkeiten am besten entspricht. Die Schüler werden ihr Leben lang beobachtet – überhaupt ist das Leben stark reglementiert – und so finden die Lehrer für jeden den richtigen Job. Jonas wird tatsächlich der Nachfolger des „Hüter der Erinnerungen“.
Vom alten Hüter, der nun der Geber ist, wird er ausgebildet. Und diese Ausbildung zeigt ihm die Schattenseiten der Gesellschaft. Jonas ist erschüttert, dass sein Weltbild aus den Fugen gerät.
Bald wird ihm klar, dass er seinen kleinen Pflegebruder Gabriel vor diesem System retten muss…
„Eine Regel zu ändern war sehr schwierig. Manchmal, wenn es eine sehr wichtige Regel war – nicht etwa eine, die das Alter für das Radfahren betraf -, wurde sie nach der Beratungs- und Abstimmungsphase auch noch dem Hüter der Erinnerungen vorgelegt. Der Hüter der Erinnerungen war der wichtigste Älteste der Gemeinschaft.“ (Seite 25)
Ich muss zugeben, dass das Buch aufgrund der Verfilmung schon länger auf meiner Wunschliste stand, ich es aber aufgrund des Alters, die Autorin ist Jahrgang 1937 und das Buch wurde 1993 ursprünglich veröffentlicht, etwas skeptisch war. Und eins muss ich vorweg sagen: eine moderne Sprache darf man hier nicht erwarten. Aber dennoch liest sich das Buch sehr gut – und es ist doch moderner geschrieben, als ich vermutet hatte.
Jonas lebt mit seiner Familie zusammen in der Gemeinschaft. Zur Familie zählen Vater, Mutter und Schwester Lily. So leicht und gut dem Leser der Einstieg in das Leben der Familie und der Geschichte gelingt, so schnell lernt man auch, dass alles, wirklich alles, sehr stark reglementiert und geregelt ist.
Man bekommt seinen Ehepartner zugeteilt, Familien dürfen genau zwei Kinder haben. Und auch die Kinder werden den Familien zugeteilt, nachdem diese sich dafür bewerben müssen.
Zu Beginn der Geschichte ist Jonas ein Elfer und Lily ein Siebener. Die nächste Zeremonie, die immer im Dezember stattfindet, steht kurz bevor.
Jonas ist ein sehr sozialer Mensch und hilft so im Altenheim aus. Lily hat ein recht loses Mundwerk, welches sie in unangenehme Situationen bringen könnte.
Als Jonas die Ausbildung zum Hüter beginnt, wird ihm schnell klar, dass seine Ausbildung schmerzhaft wird. Denn er muss all das ertragen, was den Bewohnern der Gemeinschaft verwehrt bleibt. Er darf mit keinem, auch nicht seiner Familie, über die Inhalte der Ausbildung sprechen. Doch als es um seinen kleinen Pflegebruder Gabriel geht, der eigentlich auch gar nicht bei ihnen sein dürfte, handelt er so, dass es seine ganze Zukunft zerstören könnte.
Die Welt ist farblos und grau. Und ich denke, dass sich das im Film ganz hervorragend umsetzen lässt.
Doch die Farblosigkeit ist nicht das einzige: es gibt keine Emotionen und Erinnerungen! Diese hat alle nur der Hüter; in Zukunft also Jonas. Die Menschen in der Gemeinschaft wissen also nicht, was Schnee ist, wie sich Verletzungen anfühlen, was Liebe ist. Ist das nicht schrecklich???
Natürlich bleiben ihnen dadurch allerdings auch schmerzhafte Erinnerungen (wie Verluste) erspart. Doch dadurch sind die Menschen nicht mehr einzigartig. Sie erscheinen wie eine Hülle, ohne wirklichen Inhalt.
„Mühsamen Schrittes schleppte er sich auf die Bank neben der Hütte und setzte sich, von Gefühlen des Verlusts überwältigt. Seine Kindheit, seine Freundschaften, das sorglose Dasein – all diese Dinge schienen ihm für immer entglitten zu sein. Eine unendliche Traurigkeit, die ebenfalls zum Spektrum seiner neuen, intensivierten Gefühlswelt gehörte, hatte sich seiner bemächtigt, als er die anderen lachend und brüllend bei ihrem Kriegsspiel beobachtet hatte.“ (Seite 204)
Die Grundidee, die die Autorin hier hat, ist einfach großartig! Der Hüter alleine trägt Erinnerungen und Emotionen und der Rest der Menschen ist davon „befreit“. Dazu gibt es dann noch das „Freigeben“, das „Anderswo“ und die Stufen von Eins bis Zwölf, die die Kinder und Jugendlichen durchlaufen. All das ist wirklich gut durchdacht und ausgearbeitet. Was das alles bedeutet, werde ich aus Spoilergründen für mich behalten. Ihr solltet es selber herausfinden. :)
Der Schreibstil ist gut lesbar und natürlich sehr emotionslos. Allerdings fliegen die Seiten nur so durch die Hände. Die Autorin hält sich nicht mit Ausschmückungen auf, sondern beschreibt nüchtern und schnörkellos das Geschehen. Relativ schnell ist das Lesen dann auch beendet.
Schade finde ich allerdings, dass zunächst keine weitere Übersetzung der Folgebände beim DTV geplant ist. Da ich jetzt unbedingt weiterlesen möchte, muss ich mir Band 2 und 3 aus dem Carlsen Verlag besorgen. Band 4 gibt es auf deutsch leider gar nicht. :/ Vielleicht steige ich auch einfach auf die englischen Boxen um, die sind richtig schön! Zum Beispiel:
Die sehen doch klasse aus, oder?
Update: Die deutschen Bände zu 2 & 3.
Leider muss ich sagen, dass man meiner Meinung nach diese beiden Bücher nicht unbedingt als Reihenfortsetzung erkennt…
Band 2 heißt „Auf der Suche nach dem Blau“ – im Original „Gathering Blue“. Band 3 heißt „Die Gabe des Boten“ – im Original „Messenger“. Leider weisen die Cover keinerlei Zusammengehörigkeit aus. Schade.
Bevor der Kinofilm nun beworben wurde, hatte ich leider von der Geschichte noch nichts gehört. Woran liegt das? Ging sie nur an mir vorbei oder ist sie generell nicht so bekannt? Wenn die Tetralogie nicht so bekannt ist, finde ich das echt schade und das sollte geändert werden. Passiert nun vielleicht durch den Kinofilm.
„Hüter der Erinnerung“ ist ein guter Auftakt zur „The Giver“ Tetralogie, der durch eine sehr gute Grundidee punkten kann. Leser, die sich auf kurze und emotionslose Geschichten einlassen können, werden sich hierfür begeistern können. Eine Buchvorlage, die sich meiner Meinung nach bestens fürs Kino eignet.
„>>Liebt ihr mich?<<
Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. Dann lachte Vater amüsiert auf. >>Jonas. Ausgerechnet du! Präziser Sprachgebrauch, wenn ich bitten darf!<<
>>Wie meinst du das?<<, fragte Jonas. Mit Ironie vonseiten seines Vaters hatte er am wenigsten gerechnet.
>>Dein Vater meint, dass du einen sehr allgemeinen Begriff verwendet hast, so bedeutungslos, dass er fast schon veraltet ist<<, erklärte seine Mutter nachsichtig.
Jonas starrte sie an. Bedeutungslos? Noch nie war ihm etwas so bedeutend vorgekommen wie das Gefühl, dass diese Erinnerung in ihm geweckt hatte.“ (Seite 192)
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Reiheninfo:
1. The Giver // Hüter der Erinnerung
2. Gathering Blue
3. Messenger
4. Son
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SaCre
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